Bayern mit osmanischem Blut – die Beutetürken des Kurfürsten Max Emanuel
Der junge Kurfürst Max Emanuel stellte sich als streitbarer „Kreuzritter“ an die Seite des Habsburger Kaiser Leopold I. gegen den Einfall des osmanischen Heeres ins Kaiserreich. Mit 11000 Mann und 12 Geschützen unterstützte er die „Heilige Liga“ beim Entsatz von Wien und brachte von diesem Sieg drei Elitesoldaten – Janitscharen mit, die in seinem Triumphzug nach München gefesselt hinter dem Fürsten herlaufen mussten.
Zunächst wusste man nicht, was man mit diesen Muselmanen tun sollte und steckte sie ins Zuchthaus. Einen Nutzen wollte man aus dieser Beute schon ziehen und bot sie als Geiseln im Austausch gegen christliche Kriegsgefangene oder Lösegeld den Osmanen an. Zum Leidwesen dieser beiden Achmeds, der dritte Janitschar ist aus den Quellen verschwunden, waren sie aber dem osmanischen Hofe nichts wert, denn aus den kasernierten, gut ausgebildeten Elitesoldaten waren inzwischen durch Korruption und Ämterkauf, ein wild zusammengewürfelter Haufen aus Berufslosen, Bauern und Kleinhändlern geworden, die für ihren Kriegsdienst bezahlt oder von hoher Kriegsbeute gelockt worden waren. Einer war ein 30-jähriger Bauer aus Babadag (Rumänien) und der andere ein 35-jähriger Händler aus der Nähe Ägyptens. Über ein Jahr verbrachten sie im Zuchthaus und wären dort fast gestorben. Bis man entschied sie in Dienste zu stellen, aber dafür mussten sie zum christlichen Glauben konvertieren. Aus dem „kurzen Achmed“ aus Ägypten wurde Franz und aus dem „langen Achmed“ aus Babadag wurde Anton Achmed. Dieser bekam eine Anstellung am Hofe als Sänftenträger der Kurfürstin und begleitete letztendlich den Kurfürsten sogar in sein Exil.
Aus den weiteren Türkenkriegen kamen über 800 Beutetürken nach Bayern. Einmal etwa 300 aus Ofen (Buda) im Oktober 1686 und ein weiterer Schwung im Herbst 1688 aus Alba (Belgrad), meist Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 3 und 17 Jahren. Nun wurden die schönen Mädchen und kräftigen Jungen zur Ware. Sie wurden verkauft - eine schwangere Türkin kostete 1686 in Leipzig so viel wie ein Zentner Zucker. Als Geschenke waren sie an den Höfen Europas beliebt, die sie als exotische Diener und Sänftenträger einsetzten. Ein ganz neuer Berufszweig der damaligen Zeit!
Von den Beutetürken aus Belgrad gibt es nur wenig Quellen, aber zu den 300 Kriegsgefangenen aus Buda, eine Schar traumatisierter Kinder, die mit einem Mufti in Wasserburg ankamen, dort ein paar Tage die Attraktion des Ortes waren und dann zu Fuß in einen 3-Tages-Marsch nach München aufbrachen, gibt es Hinweise in Tagebüchern und den Matrikeln des Klosters Attel, der Frauenkirche in München und dem bayerischen Staatsarchiv. So kann man einigen Schicksalen nachforschen, weiß wo sie unterkamen und in welche Berufe sie eingesetzt wurden. Man kennt aus diesen Quellen den Ablauf der Taufen, die damals so beliebt wie Hinrichtungen waren und nicht nur dem Täufling, sondern auch den Paten Seelenheil versprachen. Da die Taufe damals eine wichtige Integrationsfunktion hatte und für die Bürger als Aufnahme in die christliche Gemeinschaft wie eine Einbürgerung funktionierte, verlieren sich nach spätestens 2 Generationen die Spuren der meisten Beutetürken.
In 6 Kulturwanderungen verfolgen wir den Weg der Beutetürken über Wasserburg, Attel und Ebersberg nach München. Lauschen den Biographien einzelner Kriegsgefangene und deren Erlebnisse. Mit dem Besuch der Parkanlage von Nymphenburg lernen wir den Marvi Kral – den blauen Kurfürsten Max Emanuel kennen und welche kulturellen Entdeckungen, wie z. B. das erste beheiztes Bad in Süddeutschland, er nach Bayern eingeführt hat. Denn auch die Türken veränderten ihre neue Heimat, es wurden nicht nur Speisen, Gewürze und Mode alla turca beliebt, sondern der Kaffee begann Bayern zu erobern. Mit Schloß Schleißheim baute sich der Kurfürst ein Denkmal seiner erfolgreichen Türkenfeldzüge, in der in monumentalen Bildern die einzelnen Schlachten für die Nachwelt festgehalten sind.
Wandern Sie mit und lernen Sie die osmanische Seite Bayerns kennen!
Weitere Infos zu Terminen und Anmeldung entnehmen Sie bitte der pdf.
Fotos: Dr. Karin Dohrmann